Donnerstag, 29. September 2016

Pferdegedanken - Gedanken an die Freiheit

Ich stehe im Stroh, umgeben von 4 Wänden, mir ist langweilig. Lustlos knabbere ich an ein paar Halmen,


                     
gähne gelangweilt  - und werfe einen sehnsüchtigen Blick durch die Gitterstäbe meiner Box hinaus.  
Neugierig schaue ich aus meinem Fenster und hänge meinen Gedanken nach.


Wie gerne würde ich jetzt über die Wiese galoppieren

 
                                                                                                                                
 
  






mir mit saftigen, grünen Gras den Bauch füllen








        mich ausgiebig am Boden wälzen,






um kurz darauf aufzuspringen und mit ein paar Bocksprüngen meine Lebensfreude kund zu tun. 



Statt dessen bin ich in meiner Box eingesperrt und stehe mir die Beine in den Bauch. Ich recke meinen Kopf über die Planken zu  meinem Nachbarn, doch ich erreiche ihn nicht, zu hoch ist die Wand. Enttäuscht schnaube ich mir den Staub aus den Nüstern, schüttle meinen Kopf. Wo bleibt "Er" heute nur so lange? Wann werde ich endlich heraus gelassen? Ich gähne, wandere ein mal im Kreis herum, lasse meinen Kopf hängen und beschnubere zum xten Male meine Roßknödel, doch sie sind schon kalt und duften nicht mehr. Es juckt mich und ich kann mich wenigstens am offenen Fenster schubbern.


Geduldig zu warten, bis "Er - mein Mensch" kommt, bis sich endlich die Türe öffnet und ich hinaus darf, habe ich gelernt, aber schwer ist es noch immer. Früher, ja da habe ich getobt, mit den Hufen gegen die Tür getrommelt, lautstark gewiehert, wenn ich zu lange meinen Bewegungsdrang bekämpfen mußte, geändert bzw. geholfen hat es aber nichts. So habe ich mich nach und nach damit abgefunden, geduldig zu warten, bis die Zeit gekommen ist.

Dabei geht es mir wirklich nicht schlecht. Ich bekomme regelmäßig meinen Hafer, den ganzen Tag Heu zu knabbern, habe so viel zu saufen, wie ich will, genug Stroh am Boden um bequem liegen zu können. Ich werde geputzt, frisiert, meine Hufe werden ausgekratzt, vom Schmied bearbeitet und gepflegt, und fehlt mir mal gesundheitlich was, kommt der Tierarzt.

Man könnte jetzt sagen, was willst Du mehr, aber kannst Du Dir das Gefühl vorstellen, das auch heute noch manchmal mein Blut in Wallung bringt - der Instinkt meiner Vorfahren, die nur eines kannten - FREIHEIT! Sonne, die das Fell erwärmt, Wind, der die Mähne zaust, Regen, der die Luft reinigt und die Erde dampfend macht. Und Weite, unendliche Weite zum laufen, laufen, laufen. Manchmal, nur manchmal packt mich die Sehnsucht, mein Herz beginnt zu hämmern, mein Blut rauscht in meinen Ohren und eine unerklärliche Spannung ist plötzlich in mir.

Selten, sehr selten habe ich Gelegenheit dieser Spannung nachzugeben, und dieses Gefühl auszukosten. Wenn "Er" und ich, alleine auf weiter Flur sind, dann kommt es schon mal vor, daß "Er" mir sagst: "Mach was Dir gefällt"!

Dann spanne ich meine Muskeln mit aller Kraft, die in mir steckt, an, strecke meine Beine immer schneller und weiter vor, im Sprung des Galopps, halte 

  meine Nase in den Wind und sauge gierig die Luft in meine Lungen. Mein Herz klopft schnell, meine Mähne flattert wild und meine Hufe fliegen nur so über den Boden, scheinen ihn kaum mehr zu berühren. So mten damals meine Ahnen gefühlt haben, wenn sie in riesigen Herden, Staub aufwirbelnd, die Steppe erzittern ließen.

Doch viel zu schnell ist alles - mein Freiheits-Traum - wieder vorbei. "Er" erwartet, daß ich wieder das gesittete, gehorsame und brave Pferd bin, und ich bin es auch.

Zufrieden und dankbar bin ich, doch mal wenigstens eine kurze Zeit das Gefühl meiner Vorfahren auskosten zu können.

Und wenn ich in meinem Stall stehe, Stunden um Stunden, und die Eintönigkeit an mir frißt, dann hoffe ich, daß heute so ein Tag ist, so ein Tag, an dem ich für kurze Zeit im Reich meiner Vorfahren weilen darf.