Samstag, 17. März 2012

Der verrückteste Ritt meines Lebens

November 1980
Immer wenn ich an diesen Ritt denke - es war wirklich das Verrückteste, was ich je in meinem Reiterdasein erlebt habe - schüttle ich nur den Kopf - heute würde ich so etwas nieeeee mehr machen. Dabei war ich eigentlich nur blauäugig, habe mich auch auf Werner verlassen, der diesen Ritt organisierte. Werner war ein Bekannter, den ich auf einem Reiturlaub kennen lernte. Ich wußte daß er mit seinem Pferd durch halb Europa geritten war und abenteuerliche Dinge gemacht hatte. Er war Aussteiger, früher Leiter eines großen Orchesters, und hatte sogar vom Bundespräsidenten den Titel Professor für seine Leistungen verliehen bekommen. Werner war ein ganz besonderer Mensch, sehr interessant und man konnte ewig seinen Erzählungen lauschen. Bei einem Besuch von einer Freundin und mir bei ihm beschlossen wir auf den knapp 900 m hohen Schöpfl - die höchste Erhebung im Wienerwald - in der Nähe von Neulengbach, zu reiten. Das Ganze wäre ja noch ein schöner Ausritt gewesen, wenn nicht, ja wenn nicht gerade an diesem Tag ein Schneesturm geherrscht hätte. Dieser November hatte es in sich. Tagelange Schneefälle, dazu ein sehr starker Wind. Es wurde sogar die Autobahn gesperrt, weil die Schneepflüge der weißen Pracht nicht mehr Herr wurde. Wir fuhren an diesem besagten Tag zu dem Stall. Mehrmals blieben wir trotz Spikebereifung am Weg zum Stall am Berg hängen. Das letzte Stück mußten wir zu Fuß gehen. Das Auto streikte den winterlichen Bedingungen. Renate meine Freundin verkroch sich gleich hinter dem warmen Ofen und meinte keine 10 Pferde brächten sie da mehr hervor. Ich aber war zu dieser Zeit sehr abenteuerlustig und mich konnten keine 10 Pferde davon abhalten den vorgenommenen Ritt auf den Berg mitzumachen. Wir sattelten die Pferde, die bereits tagelang im Stall standen. Im bauchhohen Schnee gings los. Die Pferde nach dem tagelangen Eingesperrtsein waren voller Elan und nahmen die Herausforderung an. Sie arbeiteten sich durch die weiße Hölle, wobei der Schnee oft bis an die Steigbügel reichte, und die Pferde sich in wilden Bocksprüngen durch die weiße Pracht kämpfte. Nach einer guten Stunde waren wir - gut eingepackt endlich nahe dem Gipfel. Dort trafen wir ein paar Wanderer, die ebenfalls das Besondere suchten. Die schauten aber nicht schlecht, als sie uns beide hoch zu Roß erblickten. Nach einer kurzen Rast, wo Werner auf mein Bitten das Foto schoß, machten wir uns auf den Rückweg. Werner ganz und gar nicht Kavalier ritt einfach los und galoppierte davon - und das bergab. Mein Vierbeiner wollte natürlich nach und ich klammerte mich nur noch an - bergab und galoppieren - das hatte ich noch nie gemacht! Es kam wie es kommen mußte: Mein Pferd stolperte, ging vorne in die Knie und ich flog in hohem Bogen in den metertiefen Schnee. Dort lag ich dann wie ein Maikäfer auf dem Rücken und konnte mich beim besten Willen nicht mehr bewegen, geschweige befreien. Ca. 1 Meter über mir war die Schneegrenze. Weich war ich jedenfalls gefallen und nichts tat mir weh. Das Pferd aber war weg. Als Werner bemerkte, daß ich nicht mehr auf dem Rücken meines Pferdes saß, als dieses an ihm vorbeischoß, schwante ihm so einiges. Er drehte um und fand mich nach einigem Suchen in meiner mißlichen Lage. Er stieg ab und befreite mich aus meinem weißen Loch, half mir auf die Beine. Was weiter? Den weiten Weg zu Fuß im hohen Schnee - das ist nichts für Christine. Also half er mir auf die Kruppe seines Pferdes und wir ritten zu zweit - diesmal im Schritt los. Ich beschwörte ihn, ja nicht auf die Idee zu kommen und loszutraben oder -galoppieren. Nach einigen Minuten ein schrilles Wiehern - mein Pferd kam zurück. Es hatte anscheinend gemerkt, daß der Weg doch sehr weit alleine nach Hause war und suchte seinen Kumpel - Gott sei Dank. Es ließ sich sogar wieder einfangen und ich hatte meinen eigenen Untersatz wieder. Ich war froh wieder im eigenen Sattel zu sitzen und wir ritten gesittet, wie es sich gehört, nach Hause. Dort angekommen war ich total durchfroren und bei einem großen Häferl Tee mit Schnaps belebte ich meine fast eingefrorenen Glieder. Renate ließ sich unser Abenteuer bis ins kleinste Detail erzählen, und war dabei heilfroh sicher beim warmen Ofen auf uns gewartet zu haben. Ich aber hatte auch meine Lektion gelernt. Nie wieder mit einem Geländevollprofi bei Schnee und Sturm mit einem unbekannten Pferd auf den Berg. Prost-Mahlzeit!

Am Gipfel des Schöpfls

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