Sonntag, 9. Oktober 2011

Lust, Lebensfreude und unsichtbare Kommunikation


20.12.2005
Ich kam heute später als sonst zu dir. War eingeladen zu einem vorweihnachtlichen Essen bei Freunden. Hatte auch noch den „Schwarzen“ von Christl Kapitain zu longieren. Ich habe mir heute kein Reiten mehr vorgenommen, wollte dir Marfim einen Pausentag gönnen. Wenn die große Halle frei wäre, das wäre toll. Dann könntest Du auf 2400 m² machen, was du wolltest. 2400 m² Platz zum wälzen, zum schnuppern, zum markieren und äpfeln, und natürlich zum laufen, ohne daß gleich nach ein paar Metern die Wand da ist. 60x40 m sind eine tolle Spielwiese für Pferde. Aber leider haben wir keine Spielwiese, war haben eine Reithalle, und da wird natürlich geritten. Spät am abend, wenn eigentlich alle fertig sind, kommt dann doch noch der eine oder andere Reiter, der sich auch verspätet hat, oder ein notorischer Spätkommer ist. Tatsache ist, daß heute abend die Halle nie frei wurde. So dachte ich mir, ich hänge dich an die Longe, ganz lang und ohne der Einstellung dich zu arbeiten. du solltest dich nur bewegen, ohne Gymnastik, ohne Ernst. Nur folgen solltest du schon, sodaß das Ganze in geordneten Bahnen ablief. Ich hatte das noch nie mit dir gemacht. Entweder longieren und arbeiten oder freilaufen und spielen. Du hast gespürt, heut ist es anders. Zuerst ließ ich dich lange im Schritt gehen, zum aufwärmen. Etwas so wichtiges, was leider fast alle Pferdebesitzer vernachlässigen. Das kostet ja Zeit und ist fad, nur im Schritt 15 – 20 Min. herumzulatschen. Na ja, einige machen es doch, aber eher hinterher zum tratschen, da bringt es nur mehr den Ausklang, das was vorher wichtig für die Gesundheit wäre, dafür ist es zu spät.
Du gingst also zuerst mit und dann noch ohne Decke deine 15 Min. Schritt in beiden Richtungen. Ab und zu eine Haltparade, als Abwechslung. Dann ließ ich dich antraben. Munter hobst du deine Füße in einem schönen Takt. Ganz leicht war deine Anlehnung an der Longe. Dein inneres Ohr lauschte wie angeklebt in meine Richtung. Plötzlich galoppierst du an, ein kurzer Stop, um die Kraft und Energie noch oben zu sammeln, springst mit allen 4en in die Luft, ein Freudenbuckler wie es aussah. Mit der Stimme konnte ich dich gleich wieder in Trab bringen, doch kurz darauf wieder ein eigenmächtiges angaloppieren, mit kurzen Stops, um wieder die Energie für ein paar kräftige Buckler nach oben zu gewinnen, und für ein paar rasante Runden im scharfen Galopp. Wie gerne würdest du jetzt all deine Kraft in die Galoppade legen. Trotz des Tempos und der Buckler blieb die feine Verbindung der Longe unverändert. Mit leichtem schlenkern und beruhigenden Worten konnte ich dich rasch wieder in gemäßigtes Tempo bringen. Da blitzte der Schalk aus deinen Augen, dein Lebensfreude kam zum Ausdruck. Mit extremer Innenstellung und –biegung umkreist du mich, dein ganzer Körper rief mir zu – spiel mit mir! So wie wir es bei der Freiarbeit immer wieder tun.
Ich war über deine Ausbrüche sehr verwundert, wußte momentan nicht, ob sie eine Antwort auf die anderen Pferde gedacht war, die oft sehr nahe bei dir vorbeiliefen, und Scheinangriffe darstellen, doch ich merkte dann, daß es reiner Übermut war. Ich verbot dir den rasanten Galopp, wollte ich doch wenigstens die Gangart bestimmen, und so hast du im Trab die Beine ganz hoch geschmissen, bis zur Waagrechten, und die eine oder andere Runde Passage war auch dabei. Die ganze Zeit hatte ich dich unter Kontrolle, und das ganz ohne Kraftaufwand! Welch ein Pferd!! Ich liebe dich dafür. Nur ein Lusitano deines Kalibers ist dazu fähig! Ich stand ganz ruhig in der Mitte, hielt die Longegerte in Passivstellung und mit Stimme und minimaler Zeichensprache zog ich die Fäden.
Alle anwesenden Reiter beobachteten unser Spiel, sogar Leute, für die wir normalerweise ja total uninteressant sind. Keiner konnte sich unserer Präsentation entziehen. Meine Verwunderung wich Freude und Stolz über dich Marfim, was für ein Pferd! Liebe erfüllte meinen Körper, Liebe zu dir, über deine weiten Trabtritte, wenn du die Beine bis zur waagrechten anhebst, über deinen schwingenden Rücken, deinen gebogenen Hals mit der langen wehenden Mähne, über deine Haltung, wenn du den Kopf zur Brust nimmst, über deine runde Krupp mit dem entspannten Schweif, über deine aufmerksamen Ohren, die immer in meine Richtung horchen, über deinen frechen Blick, der sagt: na komm schon, spielen wir, über den spanischen Schritt, den du so gerne zeigst. Ich liebe deine Freude und dein „kernig“ sein, denn dann weiß ich – es geht dir gut.
Ich werde jeden deiner Freudentage mit jeder Faser meines Körpers genießen.
Das Auge von meinem Schatz Marfim


1 Kommentar:

  1. Schön, deine Freude über dieses Pferd zu lesen, nicht alle Lusitanos sind so gestrickt, er ist einfach DEIN Marfim und DEINE Herzensfreude!

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